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Anleihesterben, Verbraucherpreislügen & Golddynamik

von Matthew Piepenburg

Partner

Im Folgenden betrachten wir die Goldynamik vor dem Hintergrund verstärkter Anleihezerstörung an den öffentlichen Märkten sowie wachsender Wahrheitsvernichtung im Krieg gegen die Inflation.

Noch immer keine Rezession?

Wie ich 2022 erklärte, war die viel diskutierte und ausstehende Rezession schon damals vorhanden, ungeachtet offizieller Versuche, selbige umzudefinieren.

Die tausenden Entlassungen bei Google, Amazon und selbst Goldman Sachs im Jahr 2023 könnten beispielsweise als Indiz dafür gelten.

Apropos Rezession: Mit erbärmlichen -32,9 Punkten verdichtete der Empire Manufacturing Report die Annahme, dass unsere zunehmend bewegungsunfähiger gemachte Wirtschaft auch nicht mehr durch Produktivität und Wachstum gerettet werden kann.

Tatsächlich hat es seit 2008 und 2020 keine so schlechten Zahlen mehr aus dem verarbeitenden Gewerbe gegeben; das waren, wenn ich richtig erinnere, ziemlich schlimme Marktjahrgänge – die sich nur noch mit Geldschöpfung im Warp-Tempo „retten“ ließen.

Und das wirft natürlich sofort die krampfhafte Frage auf, ob sich Fed-Chef Powell gezwungen sehen wird, die verzweifelte Mausklickgeldschöpfung wieder hochzufahren – sprich: „quantitative Lockerungen“.

Bislang geht die US-Notenbank klar in die entgegengesetzte Richtung – ihre Bilanzwerte werden „gestrafft“ anstatt „gelockert“ und das im Umfang von -95 Mrd. $ pro Monat und im Umfeld eines sich abzeichnenden perfekten Sturms.

Wie wir unten sehen werden, ist diese Lose-Lose-Option nur eine der vielen versteckten Minen, die unter dem ohnehin schon hinkenden US-Staatsanleihemarkt liegen.

Unterdessen verblöden die Blöden einfach weiter.

US-Staatsanleihen: Sicherer Hafen oder Minenfeld?

Die meisten Investoren, die spüren, dass eine Rezession im Anmarsch ist, tun das, was die meisten Investoren in schlechten Zeit tun: Sie treffen schlechte Entscheidungen.

Zentraler Punkt bei diesen schlechten Entscheidungen ist die traditionelle Flucht in langlaufenden US-Staatsanleihen – der sichere Hafen, wenn Märkte und Wirtschaften abtauchen.

Ich behaupte nun, dass jener traditionelle Fluchthafen heute eher einer Todesfalle ähnelt.

Warum?

Nun, die Antworten finden sich in ungeschönten Fakten und simpler Mathematik – zwei Themenbereiche, die unsere politischen Entscheidungsträger seit Langem schon bewusst canceln, leugnen oder ignorieren.

Rechnen wir’s also aus. Ganz einfach 1, 2 und 3.

Die simple Mathematik des US-Anleihesterbens

  • Staatsdefizite — Landmine Nummer 1

In den schmerzvollen Jahren 2008 und 2020 stiegen die US-Defizite, prozentual zum BIP, um 8 % bzw. 10 %.

Immerhin braucht es in schlechten Zeiten mehr Schulden-„Akkommodierung“ – also mehr Defizitfinanzierung und steigende Wachstumsraten bei der Verschuldung.

Auf dem Weg ins neue Jahr 2023 hatte die jährliche „Burn Rate“ des Staates schon 1,5 Bill. $ erreicht, was nicht nur erbärmlich, sondern auch gefährlich ist.

Leider legt harte Mathematik nah, dass sich diese Zahl auch im Jahr 2023 weiter verschlechtern wird.

Und zwar ganz deutlich.

Zieht man die vorgehenden Defizitwachstumsquoten (800 und 1.000 bsp) für die Jahre 2008 bzw. 2020 heran, so könnte sich 2023 rechnerisch eine staatliche Defizit-Burn-Rate von 2 Bill. $ bis 2,6 Bill. $ ergeben. Konservativ gerechnet, kommen die USA für 2023 somit auf ein US-Staatsdefizit zwischen 3,5 Bill. $ und 4 Bill. $.

Doch das ist nur der Anfang.

  • Mehr QE, Mehr Defizit-Belastung: Landmine Nummer 2

Wenn wir dann noch die laufenden monetären Straffungsmaßnahmen (QT) von -95 Mrd. $ monatlich draufsatteln, kämen wir mit unseren Defizitberechnungen für 2023 zuerst in die Nähe der 5 Bill. $-Marke und dann darüber hinaus.

Das setzt natürlich voraus, dass Powell keine Kehrtwende in seinem QT-Krieg gegen die Inflation macht. Wie mein letzter Bericht objektiv bestätigte, birgt dieser Krieg auch das Risiko, dass die US-Märkte und -Wirtschaft so stark absacken, wie wir es seit… ja… vor 1871 nicht mehr beobachten konnten.

  • Ausland stößt Uncle Sams Schuldtitel ab: Landmine Nummer 3

Der wachsende Mangel an Vertrauen und Interesse an US-Treasury-Anleihen verschärft das Problem und die Mathematik dieser tickenden Zeitbomber nur weiter.

Wie ich das gesamte Jahr 2022 über erklärt hatte, war Powells/ Yellens kurzsichtige wie auch einseitige Politik der Zinserhöhungen und Dollarstärkung der absolute Tiefschlag für ausländische Währungen und Wirtschaften.

Wie schon die Sanktionen gegen Putin ging auch diese Maßnahme – also der Versuch, ausländisches Geld in den Markt für US-Staatsanleihen zu locken – nach hinten los.

Die Schwellen- und Industrienationen (von BRICS bis Japan) sehen sich vielmehr gezwungen, UST-Bestände abzustoßen (zu verkaufen), um die eigenen Währungen zu verteidigen gegen die ansonsten drangsalierende und untragbare USD-Aufwertung.

Mit Blick auf all diese Faktoren kann es ohne Weiteres sein, dass ausländische Anleihehalter im Jahr 2023 zusätzlich 1 Bill. $ in US-Staatsanleihen abstoßen, die das wachsende US-Defizit spürbar in die Höhe treiben würden. Somit könnte eine Defizitmarke von 6 Bill. $ bis Jahresende überschritten sein.

Man kann es sich ausrechnen

Ein solcher Nettoabsatz von US-Schuldtiteln würde wohl auch bedeuten, dass das Angebot an US-Schuldtitel deren Nachfrage deutlich übersteigen wird.

Aus dem Wirtschaftsunterricht in der Schule weiß man, dass ein derartiges Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu einem massiven Preisverfall führt.

Anders formuliert: Wenn die Anleiherenditen wie nahende Haiflossen aufsteigen, werden US-Staatsanleihen wie Newtons Apfel fallen.

Welchen Sinn haben US-Staatsanleihen noch für Sie?

Hinsichtlich der eingangs gestellten Frage, ob die traditionelle Flucht in langlaufende US-Staatstitel – also die Flucht in den „safe haven“ – unter den aktuellen Gegebenheiten eigentlich Sinn macht, lassen sich die Antworten inzwischen einfacher sortieren.

Kurz: Die Notwendigkeit einer drastischen Ausweitung des UST-Angebots zur US-Defizitdeckung steht im krassen Widerstreit mit der Tatsache, dass natürliche und ausländische Nachfrage nach jenen Schuldtiteln einfach nicht mehr da ist…

Solange diese Schuldscheine nicht einfach mit Mausklickgeld aufgekauft werden und Powells sogenannter Krieg gegen die Inflation sich nicht in eine QE-Politik der extremen Inflation verkehrt…

Ahhh. Ironien an allen Ecken und Enden. Powell steht ganz einfach nur mit dem Rücken zur Wand. Seine Optionen sind furchtbar.

Entweder strafft er und zerstört damit Märkte und Otto-Normal-Verbraucher, oder er lockert und zerstört den USD mit einem inflationären Hurrikan.

Mit Blick auf den aktuellen politischen Kurs und die laufenden Trends lässt sich vom mathematischen Standpunkt aus mit einiger Sicherheit behaupten: Wer auf langlaufende UST setzt, schleicht sich eher auf Zehenspitzen durch ein Minenfeld, als dass er in einen „Sicheren Hafen“ einsegelt.

Allen gegenteiligen offiziellen Narrativen zum Trotz ist meine Sicht (wie auch schon im Jahr 2022) unverändert geblieben: Die aktuellen Wachstumsraten und Ertragskurven legen nah, dass wir uns schon jetzt in einer Rezession befinden; sobald diese Rezession offiziell wird (Bekanntgabe ist immer nachläufig), gibt es noch mehr US-Staatsschuldenemission und noch mehr Minus bei den Anleihepreisen.

Der USD und Gold

Was den USD und dessen Auswirkungen auf den Dollar-basierten Goldpreis angeht, habe ich 2022 durchweg argumentiert, dass ein starker USD ein deutliches Hemmnis für Gold sei.

Ich hatte zudem sehr oft argumentiert, dass ein derart starker USD kein nachhaltiger Ansatz sei und zwar aus dem einfachen Grund, weil steigende Verschuldung, steigende Zinssätze und ein steigender Währungswert kein nachhaltiges Trio ergeben.

Angesichts der oben diskutierten Defizitstände und angesichts der Tatsache, dass die USA jährlich 2,9 Bill. $ für Leistungsberechtigungen zahlt aber auch 900 Mrd. $ an ihren militärisch-industriellen Komplex/ Führung abgibt, ist es schlichtweg nicht möglich, dass die USA ihre Dollarstärke-Politik fortführen, ohne dabei einen regelrechten Schuldenausfall zu riskieren.

Da Schuldenausfälle aber politischem Selbstmord gleichkommen und Störungen in den globalen Kredit- und Bankensystemen verursachen, wie es sie seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr gegeben hat, ist es weitaus wahrscheinlicher, dass die US-Notenbank, die offenbar mehr wirtschaftspolitische Richtlinienkompetenz hat als das Weiße Haus, letztendlich mehr „Liquidität“ fordern wird, um Uncle Sams ansonsten ungewollte aber vermehrt emittierte Staatsschulden aufzukaufen.

Wie biegt man Inflation gerade? Einfach lügen.

Was das Thema inflationäre Belastungen und den schrittweisen Sieg von Gold über ebendiese Belastungen angeht, haben unsere genialen politischen Entscheidungsträger eine einfache wie bekannte Lösung parat: Ganz einfach lügen!

Wie der ehemaliger Finanzminister und frühere Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Junker, in einem berühmt gewordenen Ausspruch eingestand: „Wenn es ernst wird, muss man lügen.“

Was die Lügen der Obrigkeit angeht, ist ihre empirische Anhäufung über die Jahre betrachtet kein Mythos sondern Fakt.

Von Arbeitslosenquoten bis Verbraucherpreisindexdaten oder von systemischer Deformierung durch Zentralbanken nebst Digitalwährungen über Ex-Items-Bilanzierungsbetrug, Medienfiktionen zur viralen Wissenschaft bis hin zur Neudefinition einer Rezession – die wachsende Menge an Fantasieprodukten, die als Tagesrealität durchgehen, scheint ein Hinweis darauf zu sein, dass die Lage in der Tat „ernst“ wird.

Mit anderen Worten: Die Lügen türmen sich im Einklang mit wachsender finanzieller Verzweiflung auf.

Trotz aller ernsten Probleme haben die jüngst vorgenommenen Veränderungen an der Berechnungsmethodik des ohnehin schon unehrlichen US-Verbraucherpreisindex (CPI) fast schon komische Züge – oder zumindest tragikomische Züge.

Seit Jahren weise ich auf Folgendes hin: Wenn die US-Notenbank öffentlich den Kampf gegen die Inflation beschwört und gleichzeitig die Inflation selbst ausnutzt (und die negativen Realzinsen), um damit die historischen Verschuldungsstände „wegzuinflationieren“, dann ist das eine Schliche und der unehrliche Versuch, „alles auf einmal haben zu können“.

Sprich: Für die Schlagzeilen kann das Powell-Lager 1.) hinsichtlich der tatsächlichen Inflation lügen (sie falsch darstellen) und gleichzeitig 2.) auch von allen Vorteile profitieren, die mit versteckter/ geleugneter Inflation kommen – also einer Inflation, in ihrer Präsenz und (so meine ich) Tendenz zur Stagflation, keineswegs „vorübergehend“ sein wird, wovor ich, schon lange bevor Powell diesen Begriff (Lüge) erfand, gewarnt hatte.

Was die für den nächsten Monat anstehenden Änderungen an der CPI-Methodik angeht, haben die Inflationsbelletristen im US-Amt für Arbeitsmarktstatistik (also dem BLS oder kurz „Office of BS“) sich entschieden, die Gewichtung der „Owners’ Equivalent Rent“ (kurz “OER”, Ermittlung von vergleichbaren Mietkosten, die ein Hauseigentümer zahlen müsste) neu anzupassen.

Die offiziellen Zahlen: Nie richtig, aber auch nie falsch

Neben anderen Tricks will das „Office of BS“ inzwischen die aus Nachbarschaftsbefragungen ermittelten Vergleichsmieten für ein Kalenderjahr ansetzen, um deren erhebliche Auswirkung auf die Inflationsquoten des US-Verbraucherpreisindex (CPI) praktisch auf unehrlich niedriger Stände manipulieren zu können.

Besonders heftig dabei ist: Die hier verwendete CPI-Messmethode (rote Kurve unten) ist ohnehin schon berüchtigt dafür, dass sie – im Vergleich zur alten Inflationsmessung der Volcker-Ära (blaue Kurve unten) – die tatsächliche Inflation um 50 % zu niedrig angibt.

Solche Lügen sind gewissermaßen nie richtig, aber als offizielle Datenpunkte der US-Regierung sind sie eben auch nie falsch.

Die große Frage mit Blick auf die Zukunft ist dann recht einfach: Wird die Lüge funktionieren?

Die Inflationsdaten des US Office of BS ist im Grunde wie ein Thermometer, das dem Kranken eine gesunde Temperatur verspricht, wenngleich dieser buchstäblich brennt – bei 39,5 Grad Fieber, Nachtschweiß und Gliederschmerzen.

Solche Tricks sind Türöffner für Powell, die es ihm sogar erlauben würden, wieder vermehrt auf inflationäre Geldschöpfung zurückzugreifen, ohne dabei inflationäre Schlagzeilen riskieren zu müssen, schließlich sagt uns die Verbraucherpreisentwicklung ja, dass sich die „Datenlage“ verbessert – wenngleich die Verbraucherausgaben buchstäblich brennen wie hohes Fieber mit Nachtschweiß und Gliederschmerzen.

Stellen Sie sich doch einfach selbst die Frage: Scheinen die Lebenshaltungskosten (USA) tatsächlich um 6,5 % zu steigen, oder fühlt sich dieses „Fieber“ nicht doch ein wenig höher an, als gesagt wird?

Gold: Ein besserer Fluchthafen?

Mit Blick auf alle vorgebrachten Argumente muss jeder Einzelne von uns sich die Frage stellen, wo der eigene sichere Hafen zu finden ist – in Zeiten ausgedehnter Kriege, unehrlicher Mathematik, umdefinierter Rezessionen, Anleihesterben, Währungsentwertung und flattriger Aktienmärkte, die merklich nach Süden tendieren.

Natürlich galten risikofreie Renditen von Staatsanleihen, insbesondere von US-Staatsanleihen, dabei traditionell als die sicherste Wette.

Doch auf Grundlage von 1.) nicht-traditioneller und, aus meiner Sicht, kompletter Verzerrung/ Zerstörung der globalen Anleihemärkte aufgrund jahrelanger kriminell nachlässiger Geldpolitiken von Tokio bis Washington DC und 2.) der tatsächlichen, realen Rendite von US-Schuldtiteln (in Abgrenzung zur offiziellen, also inflationsbereinigten) tritt immer deutlicher hervor, dass jene „risikofreien Rendite“ kaum mehr ist als renditefreies Risiko.

Deswegen werden informierte Investoren, die willens sind, ein paar Extraminuten darauf zu verwenden, grundlegende Anleihemarktgeschichte und -Mathematik zu verstehen, bald schon erkennen, dass selbst … jawohl… die 0%-Rendite von Gold – mit ihrem natürlich begrenzten Stock-to-Flow-Verhältnis (d.h. einer nahezu „begrenzten“ Jahresproduktion von kaum einmal 2 %) sowie einer unbegrenzten Laufzeit – deutlich besser zur Vermögenssicherung geeignet ist, als Anleihen mit begrenzter Laufzeit und scheinbar unbegrenzter Auflagezahl…

Haben Sie schon Gold?

About Matthew Piepenburg
Matthew Piepenburg begann seine Finanzkarriere als Wirtschaftsjurist. Während der NASDQ-Bubble (1999 – 2001) gründete er seinen ersten Hedgefonds. Im Anschluss daran richtete er seinen eigenen sowie andere HNW-Family-Funds auf alternative Investments aus. Zeitgleich agierte er als allgemeiner Berater, CIO und später Geschäftsführer einer Single- und Multi-Family-Office. Matthew arbeitete zudem eng... Mehr…

Matthew Piepenburg
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